Die 70ger- und 80ger Jahre des letzten Jahrhunderts sind die Geburtsjahre für viele anthroposophische Einrichtungen. Es ist die Gründungswelle einer Pionierphase, welche deutschland-, aber auch europaweit (bspw. in Skandinavien) Orte der Anthroposophie als Waldorfschulen, Waldorflehrer:innenbildungsstätten, biologisch-dynamisch wirtschaftende Bauernhöfe, sozial-pädagogische Einrichtungen und auch Hochschulen geschaffen hat. Diese Zeit prägt bis heute das gesellschaftlich sichtbare Antlitz einer anthroposophischen Arbeit. Es sind anthroposophisch wahrnehmbare Orte, die zunächst eher als Inseln des Anderssein ihre Impulse der Spiritualität, der Menschlichkeit, der Ästhetik und der sozial-ökologischen Verantwortung als Kontrapunkt zur technokratisch-materialistischen Gegenwartskultur gesetzt haben. Viele dieser Orte sind inzwischen fruchtbar gewachsen und haben auch grundlegende Transformationen erfahren, die zum Teil durch Krisen veranlasst worden sind.

Die Alanus Hochschule aus Alfter nahe Bonn am Rhein und das Institut für Waldorf Pädagogik in Witten an der Ruhr verzeichnen das gleiche Gründungsjahr 1973. Es sind zwei bedeutende anthroposophische Einrichtungen in NRW, die aus ähnlichen Gründungsidealen hervorgegangen sind. Tatsächlich haben die Gründer:innen aus Alfter auch den Annener Berg zeitweise als möglichen Standort der Alanus Hochschule in Erwägung gezogen. Aber es ist dann der Johannishof in Alfter geworden, der im Sinne des Namenspaten Alanus ab Insulis zum Ort der freien Künste wurde. Das Institut in Witten nahm seinen Gründungsimpuls von engagierten Kolleg:innen der Bochumer Waldorfschule und hat sich seither (durchaus auch mit einem starken Fokus auf die Kunst) das Ziel der Waldorflehrer:innenbildung gegeben. Zahlreiche Alumni aus Witten arbeiten inzwischen als Kolleg:innen in den Waldorfschulen in Deutschland.
Die Alanus Hochschule hat im Jahr 2002 einen entscheidenden Schritt vollzogen, indem sie die staatliche Anerkennung als Kunsthochschule in NRW vollzogen hat. Damals studierten am Johannishof etwa 200 junge Menschen Eurythmie, Malerei, Bildhauerei, Schauspiel und Architektur. Inzwischen studieren verteilt auf zwei Campi in Alfter 1500 Student:innen und es ist noch ein weiterer Waldorfpädagogikcampus in Mannheim mit derzeit etwa 400 Studierenden dazu gekommen. Das Spektrum der Studiengänge umfasst neben den ursprünglichen künstlerischen Studiengängen nun auch Betriebswirtschaftslehre, Kunsttherapie und als ein zentrales Standbein die Waldorfpädagogik in den Bereichen Heilpädagogik, frühe Kindheit und Waldorfschule. Alle Studiengänge sind als Bachelor- und Masterstudiengänge akkreditiert, und der Fachbereich Bildungswissenschaft hat (zuletzt 2020 bestätigt) das Promotionsrecht erhalten.

Beide Einrichtungen, die Alanus Hochschule und das Institut für Waldorfpädagogik, feiern also in diesem Jahr ihren 50gsten Geburtstag und es ist eine besonders schöne Fügung, dass in Kooperation mit dem Bund der Freien Waldorfschulen im Februar 2023 ein Letter of Intent unterschrieben worden ist, indem die Absicht bekundet wird, künftig im Feld der Waldorfpädagogik eng zusammenzuarbeiten. Der Fachbereich Bildungswissenschaft der Alanus Hochschule will gemeinsam mit den Kolleg:innen aus Witten auf dem Annener Berg einen dreijährigen Bachelor of Arts für Waldorfpädagogik anbieten. Der Studienstart soll, wenn alle Vorbereitungen, an denen zur Zeit intensiv gearbeitet wird, abgeschlossen sind und alle Genehmigungen vorliegen, im September 2024 sein. Absolvent:innen dieses Studienganges können dann anschließend in den (Teilzeit-)Studiengang Master of Arts in Pädagogik/Waldorfpädagogik nach Alfter wechseln. Dieser Studiengang soll mit Hilfe der Wittener Expertise eine stärkere Praxisverankerung bekommen. Es besteht aber auch die Möglichkeit, in andere Waldorfmasterstudiengänge beispielsweise nach Mannheim, Stuttgart, Berlin, Kiel und Hamburg zu wechseln. In NRW entsteht damit ein auf die Standorte in Witten und Alfter verteiltes starkes Studienzentrum für Waldorfpädagogik. Die Kompetenzen und Ressourcen beider Einrichtungen können sich produktiv und sinnvoll ergänzen.

Mit den herzlichen Geburtstagsgrüßen vom Rhein an die Ruhr, die der Fachbereich Bildungswissenschaft der Alanus Hochschule an die Kolleg:innen und Studierenden in Witten sendet, verbindet sich die hohe Anerkennung für eine intensive waldorfpädagogische Arbeit in den vergangenen 50 Jahren und besonders auch die Freude auf eine intensive Zusammenarbeit in der Zukunft.

Prof. Dr. Jost Schieren
Dekan Fachbereich
Bildungswissenschaft
Alanus Hochschule