Liebe Studierende und liebe Kolleg:innen des Instituts für Waldorfpädagogik in Witten-Annen.

Ein idealer Ort für die Lehrer:innen-Bildung mit 50 Jahren Erfahrung und 50 Jahren Entwicklung und Bewegung, das ist das Institut Witten Annen für mich. Ich durfte vor vielen Jahren dort studieren und den besonderen Spirit spüren, der durch die Menschen entsteht, die da lernen und lehren, was beides sowohl auf die Studierenden als auch auf die „Dozierenden“ zutrifft. Dies macht die Bedeutung des Instituts aus: Mensch macht sich auf die Suche nach Waldorfpädagogik! Das Ziel (das Wofür) war und ist die Erziehungskunst ausgerichtet an den tatsächlichen jungen Menschen in einer modernen, sich wandelnden Welt, einer dennoch liebens- und lebenswerten, wie ich da lernen durfte.

Aus diesem suchenden Geist heraus experimentierten die dort tätigen Menschen mit verschiedenen Formen und Inhalten der Erwachsenenbildung – nicht nur für Lehrer:innen – Theaterpädagogik, konkrete praktische handwerkliche Betätigung am Haus der eigenen Ausbildungsstätte – diese auch selbst in Schuss zu halten und zu reinigen! – Neue Ausformungen der Selbstverwaltung und des Umgangs mit Geld als Ermöglichung (von Studien), Fachbereiche wie „Arbeit, Recht, Verwaltung und Sozialkunst“ erweiterten das damals übliche Studienangebot. Auch wenn nicht alles immer funktionierte, es wurde frischen Muts versucht und es wurden damit konkrete Erfahrungen gemacht, verändert, verbessert, aber auch bisweilen wieder verworfen: eine im besten Sinne lernende Organisation eben. Das begeistert mich seit den ersten Tagen dort „auf dem Berg“.

Als alle Welt sich Richtung hochschulmäßige Akademisierung aufmachte, suchte Witten-Annen einen besondern Weg der Waldorflehrer:innen-Bildung. Unter der Maxime, dass mensch nur in der Praxis und in der eigenen konkreten Erfahrung in (Waldorf-)Schule zur Lehrkraft werden kann, nicht in Seminaren! Eine waldorfeigene Praxisausbildung wurde mit den umliegenden Schulen konzipiert und erprobt. Das war zu dieser Zeit wichtig für die Entwicklung der Waldorfpädagogik insgesamt und zeigt sich nun als zukunftsweisend, auch wenn sich die Formen weiterentwickeln (müssen). Für die Gremien des BdFWS war das nicht durchgehend bequem, speziell mit dem Ausbildungs- und Finanzierungsrat, in dem ich mitarbeiten durfte, tat sich das Institut nicht immer spontan leicht. Es gab heftige Auseinandersetzungen und Streitpunkte. Dass wir diese Zeiten so gut und letztlich immer wieder konstruktiv durchgestanden haben und eher noch enger zusammengewachsen sind, dafür danke ich auch im Namen dieser Gremien.

Wenn nun mit den gemachten Erfahrungen und der großen Expertise, die sich das Institut in 50 Jahren errungen hat, ein neuer Weg hin zu akademischen Abschlüssen gesucht wird, dann ist das definitiv kein Zurück oder Eingestehen eines Irrweges, es bietet die Möglichkeit, sich entlang des eigenen Weges weiter zu entwickeln und selbstbewusst neue Möglichkeiten zu eröffnen. Eben eine lernfähige, im besten Sinne wandelbare Organisation, die für die zeitgenössischen jungen Menschen in der heutigen wandelbaren und komplexen Welt. Nur mit dieser Beweglichkeit kann Entwicklung weiter gehen.

Dafür wünsche ich euch im Namen des Vorstandes, der Räte und auch ich selbst – weiterhin sehr herzlich und neugierig verbunden – alles Gute und viel Kraft und Lernfähigkeit!

Herzliche Grüße
Euer Hans Hutzel